(hoga-presse) Krieg.Macht.Sinn. Krieg und Gewalt in der europäischen Erinnerung.

Der Anlass

Das 20. Jahrhundert war das Zeitalter der Kriege. Nach groben Schätzungen kamen im vergangenen Jahrhundert über hunert Millionen Menschen durch Kriegshandlungen, Vertreibungen und Genozide ums Leben. Kriege, das ist allgemeiner gesellschaftlicher und politischer Konsens, stellen in der deutschen und Teilen der europäischen Erinnerungskultur ein Übel dar, das unter allen Umständen zu verhindern ist. Diese kriegsskeptische Haltung kommt gerade in Deutschland nicht von ungefähr. Denn von deutschem Boden gingen nicht nur zwei mörderische Weltkriege aus – auch der Holocaust, das Menschheitsverbrechen an den Juden, wurde von Deutschen verübt.

Die Ausstellung Krieg und Gewalt in der europäischen Erinnerung

Mit dem 11. November 2018, dem 100. Jahrestag der Beendigung des Ersten Weltkriegs, rückt die Erinnerung an Krieg und Gewalt wieder in den Fokus der Öffentlichkeit. Im Rahmen des von der EU geförderten Projekts UNREST und in Zusammenarbeit mit der Ruhr-Universität Bochum sowie den Universitäten Aarhus (Dänemark) und Bath (England) präsentiert das Ruhr Museum auf dem UNESCO-Welterbe Zollverein neuartige Blicke und Sichtweisen auf den Krieg und seine Phänomene. Die Besucher werden in vier Abteilungen zu den Themen „Krieg“, „Bombenkrieg“, „Völkermord“ sowie „Flucht und Vertreibung“ mit unterschiedlichsten Blickwinkeln konfrontiert. Dabei werden landläufigen Meinungen alternative und auch provokante Meinungen entgegengesetzt. Wenn Kriege allgemein gebrandmarkt sind, warum werden dann immer wieder Entscheidungen getroffen, eigene Truppen in militärische Kampfeinsätze im Rahmen von „humanitären Interventionen“ zu entsenden? Wer hat ein Interesse an Kriegshandlungen, wer profitiert davon? Was sind die Folgephänomene, die sich im Schatten fast aller Kriege vollziehen? Die Ausstellung stellt diese Fragen, bietet aber keine fertigen Antworten. Vielmehr präsentiert „Krieg.Macht.Sinn.“ eine Vielstimmigkeit von Sinndeutungen und Perspektiven. Krieg mag uns sinnlos erscheinen, aber scheinbar ist er für viele Interessengruppen sinnvoll.

Deshalb nimmt auch das Gedenken an den Krieg verschiedene Formen an. Der Opfer des Ersten Weltkriegs wird am 11. November besonders im englischsprachigen Raum mit dem „Remembrance Day“ gedacht. Hier ist die Erinnerung an die „Urkatastrophe des 20. Jahrhunderts“ noch weitaus präsenter als in Deutschland, wo das Gedenken an Krieg und Gewalt vom Zweiten Weltkrieg überlagert ist. Im Verlauf der vergangenen siebzig Jahre hat sich in Deutschland – ausgehend von den Massenverbrechen der Nationalsozialisten – eine Erinnerungskultur etabliert, welche die Opfer von Krieg und Gewaltherrschaft ins Zentrum der Erinnerung im Sinne eines „Nie wieder“ rückt. Somit beleuchtet die Ausstellung die beiden Weltkriege und überdies die „modernen Kriege“ wie die Konflikte im früheren Jugoslawien, die westliche Afghanistan-Intervention sowie den gegenwärtigen Syrien-Krieg. Anhand von über 200 Exponaten von rund 50 Leihgebern möchte „Krieg.Macht.Sinn.“

Diskussionen anstoßen und zum Nachdenken über den Krieg und seine Auswirkungen bis zur Gegenwart anregen. Das Spektrum der Exponate reicht von Fotografien, Plakaten und Filmen, über Rüstungsprodukte bis hin zu Skulpturen. Darunter befinden sich spektakuläre Dokumente wie der Friedensvertrag von Brest-Litowsk, das Manuskript des Romans „Im Westen nichts Neues“ von Erich Maria Remarque sowie Kriegstagebücher und ein Stahlhelm aus dem Besitz Ernst Jüngers. Die Gestaltung der Medien Prof. Uwe Loesch über seine Gestaltung: „Krieg.Macht.Sinn. – eine Provokation! Vorsorglich wird sie auf den Werbe- und Informationsmitteln der aktuellen Ausstellung des Ruhr Museums entschärft. Dem Hintersinn entspricht das demonstrative Durchstreichen des Ausstellungstitels sowie aller abgebildeten Artefakte. Das versöhnt. Zumal die verwendete Schrift traditionell böse ist. Zwischen 1933 und 1935 vom Volksgenossen Erich Meyer entworfen und siegesgewiss „Tannenberg“ getauft, wird sie nunmehr auf die Blütenblätter der „Remembrance Poppies“ gebettet. Eine stilisierte Klatschmohn-Blüte stecken sich im Vereinigten Königreich die Veteranen am „Remembrance Day“ zum Gedenken an die gefallenen Soldaten des Ersten und Zweiten Weltkriegs ans Revers. Und die Farbe Rot lockt hoffentlich auch alle „Friedenskämpfer“ in die sehenswerte Ausstellung.“

Das Projekt UNREST

Die Ausstellung „Krieg.Macht.Sinn. Krieg und Gewalt in der europäischen Erinnerung“ findet im Rahmen des internationalen Projekts „Unsettling Remembering and Social Cohesion in Transnational Europe“ (UNREST) statt, das vom EU-Rahmenprogramm für Forschung und Innovation „Horizon 2020″ gefördert wird. Das Projekt stellt eine Kooperation zwischen mehreren europäischen Institutionen dar. Neben dem Ruhr Museum in Essen gehören zu den weiteren Beteiligten das Institut für Soziale Bewegungen der Ruhr-Universität Bochum, die Universität Bath (Großbritannien), die Universität Aarhus (Dänemark), das Zentrum für Historische. Forschung Berlin der Polnischen Akademie der Wissenschaften, der Spanische Wissenschaftsrat (CSIC) und die Theatergruppe Micomicón (Spanien). Ziel des Projekts UNREST ist es, die theoretischen Grundlagen einer „agonistischen“, auf Kontroverse, Multiperspektivität und gegensätzliche Auseinandersetzungen basierenden Gedächtniskultur, zu entwickeln. Eine Gedächtniskultur, die anerkennt, dass Streit und entgegengesetzte Interessen Politik und Sozialleben bestimmen und prägen. Die Ausarbeitung „agonistischer“ Perspektiven soll dem Bedürfnis entgegenkommen, eine neue transnationale Gedächtniskultur zu schaffen, oder besser gesagt zu verhandeln, die einen Dialog zwischen unterschiedlichen, sogar gegensätzlichen Erinnerungskulturen zulässt und eine Konfrontation verschiedener oft widerstreitender Geschichtsbilder erlaubt.

Quelle: Ruhr Museum vom 09.11.2018
Bildquelle: Ruhr Museum