(hoga-presse) Mit der Förderalismusreform 2006 war die Regelungskompetenz für das Recht der Gaststätten vom Bund auf die Länder übergegangen. Die bundeseinheitliche Regelung sah für den Betrieb einer Gaststätte eine objekt- und personenbezogene Erlaubnis vor. Mit dem vorgelegten Gesetzentwurf hätte Sachsen-Anhalt zu einer Harmonisierung der Rechtslage im mitteldeutschen Wirtschaftsraum beitragen können. Entsprechende Landesgaststättengesetze haben bereits die Bundesländer Thüringen, Sachsen, Niedersachsen und Brandenburg beschlossen. Auch für unser Bundesland besteht für diese Regelung ein großes gesamtwirtschaftliches Interesse und eine zwingende Notwendigkeit. Die Schwerpunkte im vorliegenden Gesetzentwurf liegen bei einem vereinfachten Erlaubnisverfahren, der wirtschaftlichen Absicherung des Gaststättengewerbes in Flächengebieten, der verbesserten Kontrolle und Umsetzung der gesetzlichen Vorgaben des Jugendschutzgesetzes und letztendlich auch der Grundabsicherung der Gäste in Hinblick der Vorgaben für den Gesundheitsschutz.
Der Tourismus ist eine der wichtigsten Wirtschaftsfaktoren unseres Bundeslandes. Viele Institutionen werben für eine Willkommenskultur in unserem Bundesland, die Landesregierung unterhält große Anstrengungen, um Sachsen-Anhalt attraktiver für Gäste zu gestalten. Nur wer soll diese Willkommenskultur letztendlich umsetzen? Die gastgewerblichen Betriebe sind die Partner, die genau diese Aufgaben wahrnehmen, das Bundesland maßgeblich gestalten und einen nachhaltigen Eindruck bei unseren Gästen hinterlassen. Seit Jahren müssen wir allerdings Verwerfungen in der Ausrichtung der gastronomischen Versorgung feststellen. Dem massenhaften Wegsterben gastronomischer Betriebe in den ländlichen Gebieten muss Einhalt geboten werden! Wir fordern die Stärkung der Wirtschaftsstrukturen in ländlichen Bereichen und keine indirekte Unterstützung einer entstehenden Selbstversorgungskultur und die damit verbundene Abkehr jeglichen wirtschaftlichen Verständnisses. Illegale und extensiv genehmigte Festivitäten von Vereinen, Partyveranstaltern und sonstigen Organisationen werden immer mehr zu einem existentiellen Problem für die Gastronomie. Diese wettbewerbsverzerrenden Veranstaltungen, in der Branche „Schwarzgastronomie,, genannt, sind für viele Gastronomen das Problem Nummer eins und sind ein unhaltbarer Zustand. Dieser Fakt ist kein reines sachsen-anhaltinisches Problem, sondern in der gesamten Bundesrepublik zu verzeichnen.
Feste und Feierstunden sind elementare Bestandteile unserer Gesellschaft und unserer Kultur. Sie sind wichtiges Ausdrucksmittel menschlichen Zusammenlebens und bekräftigen sinnstiftend eine gemeinsame Identität. Unbestritten, Vereine nehmen eine Vielzahl gesellschaftspolitischer Aufgaben wie z. B. in der Sport- oder Jugendarbeit wahr und tragen zur kulturellen Vielfalt bei. Viele Vereinsmitglieder sind Stammgäste in der örtlichen Gastronomie. Dem DEHOGA sind die finanziellen Sorgen der Vereine durchaus bewusst, die oftmals mit Veranstaltungen gelöst werden sollen. Dies kann und vor allem darf jedoch nicht auf dem Rücken der örtlichen Gastronomie ausgetragen werden, an die der Gesetzgeber hohe Anforderungen stellt. Der DEHOGA Landesverband betont ausdrücklich, dass es den Hoteliers und Gastronomen nicht um die Bekämpfung von Traditionsveranstaltungen oder der Pflege von Brauchtum geht, sondern um einer ausufernden Gestattungspraxis Einhalt zu gebieten und um die Unterbindung von illegalen und nicht angezeigten Veranstaltungen. Liegt ein besonderer Anlass für eine Gestattung vor, müssen die gleichen und damit fairen Wettbewerbsbedingungen gelten, das heißt, gleiches Recht für alle, also Brandschutz, Jugendschutz und viele andere elementare Vorschriften müssen beachtet und eingehalten werden. Die Meldung an das Finanzamt gehört genauso dazu wie die Meldung an die GEMA.
Allein schon aus haushaltspolitischer Sicht sollte das Bundesland ein starkes Interesse an der Umsetzung des Landesgaststättengesetzes haben. Durch eine permanente Entwicklung in der Umgehung von gesetzlichen Grundlagen entgeht Sachsen-Anhalt nach unseren Berechnungen jährlich ein hoher zweistelliger Millionenbetrag an Steuereinnahmen. Hier wird deutlich, welchen Stellenwert diese Thematik haben sollte. Umso befremdlicher wirken die Äußerungen unserer Landespolitiker nach der gestrigen Wirtschaftsausschusssitzung im Landtag. Die Stellungnahmen der Vertreter der Linken und der SPD lassen die Vermutung zu, dass hier selbsternannte Gewerkschaftsvertreter der Vereine polemisch auf Stimmenfang gehen. In ihren Stellungnahmen finden sich viele Anfeindungen gegenüber unserem Wirtschaftsministerium – allerdings vermissen wir in ihren Aussagen die grundsätzlichen wirtschaftlichen Interessen unseres Bundeslandes. Denn letztendlich hängt der Wohlstand unseres Bundeslandes und damit unsere Bürger nicht nur von einem guten Vereinsleben, sondern maßgeblich von einer guten Wirtschaftsleistung ab!
Zusammenfassend möchten wir feststellen: Wir als DEHOGA wollen nicht die Einführung von Vereins-Mitgliederlisten und die Erfassung von Vereinsgästen, die mal ein Bier trinken wollen! Das widerspricht auch unserem Verständnis vom Datenschutz in einer Demokratie! Wir erwarten aber von der Politik die Gleichbehandlung der Wirtschaft mit Vereinen hinsichtlich der Einhaltung der Hygienestandards, der steuerlichen Gleichbehandlung erzielter Umsätze, der Zahlung eines entsprechenden vertraglich vereinbarten Mindestlohnes – um damit das „AUS“ für viele kleine Gastronomen zu verhindern, die keinem fairen Wettbewerb ausgesetzt sind, sondern mit dem neuen Gaststättengesetz um ihre Existenz bangen müssen! Bei einer derartigen Wirtschaftspolitik wird die Gastronomie zumindest auf dem Lande und in kleineren Ortschaften „Wasser saufen gehen“ – das Hochwasser des vergangenen Jahres war weniger Existenz bedrohend als die gegenwärtige Wirtschaftspolitik einzelner Politiker!
Der Wirtschaftsausschuss sollte sich vielmehr um seine Hauptaufgabe – der Förderung der Wirtschaft und nicht der Verhinderung von wirtschaftlichen Aktivitäten widmen! Schon seit Jahren ist die Gastronomie unseres Landes bundesweit die Branche mit den geringsten Pro-Kopf-Umsätzen in Deutschland. Wenn sich diese Politik nicht ändert, werden wir in den kommenden Jahren mindestens ein Viertel aller Betriebe verlieren!
DEHOGA Sachsen-Anhalt e.V.
Frank Doepelheuer
Präsident